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Kleinanlegerschutz: Verhandlung im Bundesrat
Nach dem neuen Gesetz sollen Warnhinweise künftig das Risiko vieler Finanzprodukte dieses Marktes verdeutlichen. Die BaFin erhält erweiterte Kompetenzen und muss neue Aufsichtsziele erreichen. Sie kann unter anderem, in Zukunft Verkaufsprospekte von Anbietern verbieten, wenn diese bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllen. Das Gesetz dürfte die Zustimmung des Bundesrates passieren und ab Juli in Kraft treten, ist aber nicht unumstritten.
von Thomas Schulz
Kleinanlegerschutz: Verhandlung im Bundesrat. Das neue Gesetz zum Kleinanlegerschutz soll Verbraucher am Kapitalmarkt schuetzen.
© Денис Ларкин/thinkstock

Der Präsident des DDV (Deutscher Dialog-Marketing-Verband) Patrick Tapp sieht das Gesetz kritisch: Der Staat entmündige damit die Bürger, die ihn als „Pädagogen des Verbrauchers“ nicht benötigen würden. Dem Verbraucherschutzminister Maas warf der DDV-Präsident vor, seine eigenen WählerInnen für inkompetent zu halten. Tapp begründete diese Haltung seines Verbandes mit der bemerkenswerten Metapher, das Verbraucherschutzministerium ginge auf eine Weise vor, als würde man die Kunden eines Gebrauchtwagenhändlers davor warnen, einen möglicherweise schrottreifen Wagen zu kaufen. Die entsprechenden Gefahren beim Gebrauchtwagenkauf kenne jedoch jeder Interessent. Kunden träfen ihre Risiko- und Kaufentscheidungen eigenverantwortlich, so Trapp.

Kritik am Gesetz

Dasselbe gelte für Finanzgeschäfte. Die Verbraucherpolitik solle lieber bei einer finanziellen Allgemeinbildung der BürgerInnen ansetzen. Das Kleinanlegerschutzgesetz verfehle sein Ziel ebenso wie die neue BaFin-Berechtigung zum Verbot von Prospekten. Lediglich Heiko Maas würde sich am Ende ein neues Verbraucherschutzgesetz auf seine Fahne schreiben. So eine Kritik kommt nicht von ungefähr. Traditionell sieht die Branche der Anlageberater eine Einmischung der Politik und Gesetzesänderungen gar nicht gern. Dass sich jedoch der DDV einmischt, riecht ein wenig nach Lobbyismus. Es passt allerdings zum Selbstbild des Vermarkter-Verbandes, der strikt das Bild eines “mündigen Verbrauchers” vertritt und staatliche Regulierungspolitik mehr oder weniger vehement bekämpft. Subsumiert wird diese Philosophie unter dem Euphemismus der “angemessenen, relevanten Transparenz”. Das bedeutet mit weniger freundlichen Worten, die Verbraucher sollen nur das wissen, was sie wissen müssen – um etwas zu kaufen. Diese Haltung darf kritisch hinterfragt werden, erst recht bei komplexen Finanzprodukten.

Kernaussagen des neuen Gesetzes

Das neue Vermögensanlagengesetz soll praktisch alle öffentlich angebotenen Beteiligungen und Geldanlagen unabhängig von ihrer rechtlichen Ausgestaltung künftig einer Aufsicht beziehungsweise Regulierung unterwerfen. Eine neue Behörde wurde dafür nicht geschaffen, vielmehr wurde die jetzt schon für viele Anlagen bestehende Prospektpflicht verschärft.

Der Begriff „Vermögensanlage“ musste umfassend erweitert werden, um die Intentionen des Gesetzes umzusetzen. Vermögensanlagen sind künftig neben Wertpapieren wie Aktien und Anleihen oder Fondsanteilen weitere Produkte, die bislang wenig bis gar nicht reguliert worden waren:

  • Anteile für die Ergebnisbeteiligung eines Unternehmens
  • Treuhandvermögen
  • partiarische Darlehen (Beteiligungsdarlehen) und Nachrangdarlehen
  • Namensschuldverschreibungen
  • Genussrechte
  • weitere Anlagen mit Verzinsungs- und Rückzahlungsanspruch, möglicherweise auch alle Formen der Crowdfinanzierung

Künftig muss ein Emittent solcher Produkte zwingend einen Prospekt erstellen und ihn der BaFin vorlegen, wenn die Finanzprodukte öffentlich angeboten werden. Das Verfahren der Vorlage bei der BaFin, ihrer billigenden Kenntnisnahme und der anschließenden Prospektveröffentlichung durch den Emittenten wurde neu geregelt. Wichtigster Punkt: Die Gültigkeitsdauer des Prospektes ist auf ein Jahr beschränkt, danach muss er neu aufgelegt werden. Auch für die Werbung gelten nun erhebliche Beschränkungen, wenn das Gesetz erwartbar beschlossen wird. Die BaFin erhält weitgehende Rechte, um gegen unerlaubte Werbung einzuschreiten.

Bedeutung der Neukategorisierung von Vermögensanlagen

Für die Finanzbranche bedeutet das Gesetz einen tiefen Einschnitt, der bis ins Gewerberecht hineinreicht (siehe weiter unten). Möglicherweise sind auch Anleger betroffen, die bislang entspannt in ein Unternehmen investiert hatten. Alle Beteiligungen von Kommanditisten, GmbH-, oHG- und GbR-Gesellschaftern, typischen und atypischen stillen Teilhabern sowie Anteilseignern an Gesellschaften wie der Ltd., LLC, PLC, SE, SA, EWiR und weiteren Formen stehen nun auf dem Prüfstand.

Auch die Treuhandvermögen etwa bei der PublikumsKG und die Kapitalgeber von festverzinslichen partiarischen Darlehen mit zusätzlicher Gewinnaussicht (das wäre die Crowdfinanzierung) und Geldgeber für alle weiter genannten Anlagen sind betroffen. Darunter fallen Varianten, deren strikte Regulierung kurios erscheinen muss, so etwa der Mietkauf mit Rückkaufoption oder Sachwertdarlehen.

Die Konsequenz aus dem Gesetz ist die Tatsache, dass ab Juli 2015 solche Angebote ohne BaFin-geprüften und anschließend veröffentlichten Prospekt nicht mehr vermarktet werden dürfen. Bestehende Angebote erhalten eine Frist bis zum 31.12.2015, dann muss es auch für sie einen Prospekt geben, wenn sie weiter bestehen bleiben sollen. Das muss insgesamt nicht schlimm für die Anbieter sein, wenn sie sich schon bislang an die Gesetze und vor allem an die Gepflogenheiten gehalten haben. Es bedeutet zunächst nur viel Bürokratie, auch darf hinterfragt werden, wie die BaFin das alles prüfen will. Es sind also bürokratische Verzögerungen zu erwarten, die so manch ein Geschäftsmodell auf dem schnellen Markt der Finanzanlagen nachhaltig beschädigen dürften, wenn es nicht ganz unmöglich wird. Die Konsequenzen für die Gewerbeerlaubnis der Vermarkter erscheinen aber als noch gravierender.

Auswirkungen auf die gewerbliche Vertriebszulassung

Die Besonderheit bezüglich der Neuregelungen im Gewerberecht schreckt die Branche wahrscheinlich am meisten auf. Im neuen Kleinanlegerschutzgesetz steht, dass der Vertrieb der genannten Vermögensanlagen neu zu regeln ist. Nach den Bestimmungen des § 157 Abs. 5 – 7 GewO müssen die Vermittler in Zukunft eine Erlaubnis nach den §§ 32 KWG oder 34f GewO vorweisen, wenn sie nicht gebundene Vermittler eines zugelassenen Unternehmens sind. Bislang arbeiten diese Vermittler nach § 34c GewO, darin wird die Darlehensvermittlung erfasst. Ab dem 15.10.2015 ist das nicht mehr statthaft.

Änderungen solcher Art gibt es immer wieder auf dem Finanzmarkt. Die Vermittler stellen sich für gewöhnlich darauf ein, die Branche erfindet teilweise sogar Produkte, um diese Regelungen zu umgehen. Daher ähnelt die Gesetzesvorlage des Kleinanlegerschutzgesetzes durch Minister Maas ein wenig dem Wettlauf zwischen Hase und Igel. Nach den vorliegenden, geschilderten Erkenntnissen ist der deutsche Mittelstand mit all seinen differenzierten Rechtsformen flächendeckend betroffen, wo doch das Gesetz eigentlich private Kleinanleger schützen soll. Diese hätten den Schutz manchmal wirklich nötig, doch ein wenig Differenzierung hätte dem Gesetz vielleicht gutgetan. Die Auswirkungen werden erst in frühestens einem Jahr sichtbar werden, wenn möglicherweise so manche Blüte auf dem gar nicht grauen Kapitalmarkt von der Spielwiese verschwunden ist, weil die BaFin sie nicht durchgewinkt hat.

von Thomas Schulz

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