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Sozialabgaben: SPD fordert Bürgerversicherung
Nachdem die Verhandlungen zu einer möglichen Jamaika-Koalition gescheitert sind, sondieren Union und SPD eine Neuauflage der Großen Koalition. Als Bedingung stellt die SPD unter anderen eine Bürgerversicherung. Das wäre die größte Reform des Sozialversicherungssystems seit Jahrzehnten. Ein Kommentar
von Gerrit Wustmann
Sozialabgaben: SPD fordert Bürgerversicherung
© Wavebreakmedia / iStock

Schon lange haben SPD, Grüne und Linke die Bürgerversicherung in ihren Parteiprogrammen stehen. Nun macht unter anderem SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach das Konzept zur Bedingungen für das Zustandekommen einer neuen Großen Koalition. CDU und CSU sind strikt dagegen, auch Ärzte und Beamte laufen Sturm gegen die Reformpläne und malen panisch apokalyptische Szenarien an die Wand – damit bestätigen sie nur, wie richtig die SPD liegt.

Bürgerversicherung wird heftig kritisiert

Wenn es um Entlastungen für die Bürger geht, wird permanent nur über Steuersenkungen debattiert. Dabei bewegen sich die Steuern auf Einkommen in Deutschland im Mittelfeld verglichen mit anderen europäischen Staaten. Vor allem die Steuern auf hohe Einkommen wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder gesenkt, eine ernstzunehmende Erbschafts- oder Vermögenssteuer gibt es hierzulande nicht. Überdurchschnittlich hoch sind hingegen die Sozialabgaben, was vor allem mittlere Einkommen stark belastet. Gutverdiener verabschieden sich aus der solidarischen Finanzierung der Sozialkassen, weil ihr Beitrag durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt ist. Das heißt: Gering- und Durchschnittsverdiener zahlen einen höheren Anteil ihres Einkommens in die Sozialkassen als Gutverdiener.

Hinzu kommt, dass Beamte, Selbständige und viele Menschen mit hohem Einkommen privat versichert sind. Die Bürgerversicherung würde das ändern. Mit ihr müsste restlos jeder Bürger in die gesetzlichen Kassen einzahlen. Laut Spiegel Online begehrt nun der Beamtenbund dagegen auf. Dieser sieht „die Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens“ gefährdet. Der Grund für die Panikmache ist simpel: Die Beamten erhalten von ihrem Arbeitgeber enorme Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung, so dass die erstklassige Versorgung sie vergleichsweise wenig kostet. Sie befürchten Einbußen bei steigenden Kosten. Auch die Ärzteverbände protestieren lautstark. Denn auch sie fürchten, dass sie am Ende weniger Geld erhalten. Bei Privatpatienten können sie deutlich mehr abrechnen als bei Kassenpatienten. Das führt, wie Untersuchungen gezeigt haben, dazu, dass in kaum einem Land mehr überflüssige Behandlungen und Operationen durchgeführt werden, wie in Deutschland. Ein Ende dieser Praxis käme also auch jenen Privatpatienten zugute, die sich heute unters Messer legen – nicht weil es medizinisch notwendig ist, sondern weil der behandelnde Arzt gut daran verdient.

SPD könnte Vertrauen zurückzugewinnen

Der nächste Aufschrei dürfte aus der privaten Versicherungsindustrie kommen, die einmal mehr ersuchen wird, mit ihrer geballten Lobbymacht gegen das Vorhaben der SPD vorzugehen. Meist ist die Branche mit Interventionen erfolgreich. So ist die Schwächung der gesetzlichen Rente zugunsten privater Vorsorgeprodukte (zum Beispiel der Riester-Rente) das direkte Ergebnis von Lobbyarbeit der Versicherungsindustrie. Den Versicherten hat das sinkende Renten und die steigende Gefahr von Altersarmut eingebracht.

Seriöse Kritiker der Bürgerversicherung warnen allerdings, dass eine solche Reform zu steigenden Abgaben führen könnte. Und diese Befürchtung ist berechtigt. Eine Bürgerversicherung kann nur funktionieren, wenn zugleich die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft wird. Das jedoch wird mit der Union in absehbarer Zeit nicht zu machen sein – und auch die SPD hat es bis auf Weiteres nicht vor. Die Frage, die sich der SPD also stellen muss, lautet: Lieber gar keine Reform als eine schlechte Reform? Mit einer konsequenten Umsetzung einer tiefgreifenden Reform der Sozialabgaben könnte nicht nur das Sozialversicherungssystem wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Sozialdemokraten hätten hiermit auch die Chance, verloren gegangenes Vertrauen ihrer einstigen Stammwähler zurückzugewinnen.

von Gerrit Wustmann

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