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Gesetz zur leichteren Schlichtung vorgelegt
Es gibt solche Anlaufstellen schon, sie sorgen für die Schlichtung in speziellen Branchen wie den Finanzdienstleistungen (vorrangig Versicherungen), der Energieversorgung oder dem Personenverkehr. Diese Branchenaufstellung will die Bundesregierung nun erweitern. Die Schlichtung soll für Produktmängel und Dienstleistungen anderer Branchen ebenso unkompliziert möglich werden. Die Regierung setzt mit ihrem Gesetzentwurf eine EU-Richtlinie um und will bestimmte Anforderungen an die Verbraucherschlichtungsstellen und ebenso an das Schlichtungsverfahren festschreiben lassen.
von Thomas Schulz
Gesetz zur leichteren Schlichtung vorgelegt. Bei Streitigkeiten mit Unternehmen sehen Verbraucher sich oft einer Uebermacht gegenueber. Schlichtungen koennen helfen.
© ev. Schuldekanat Schorndorf/flickr

Um den Vorgang der Schlichtung voranzutreiben, ruft das Bundeskabinett die Wirtschaft auf, private Schlichtungsstellen einzurichten. Anschließend müssten die zuständigen Behörden die jeweilige Schlichtungsstelle anerkennen. Wenn solche Anlaufstellen in einer Region nicht zustande kommen, will der Bund die Länder in die Pflicht nehmen, die „Universalschlichtungsstellen“ einrichten sollen. Damit hätten Verbraucher flächendeckenden Zugang zur Schlichtung. Das Verfahren führt im besten Fall wesentlich kostengünstiger und auch schneller zum Ergebnis als ein Gang vor Gericht. Die Gerichte zu entlasten ist eine Intention der Einrichtung neuer Schlichtungsstellen, denn diese sind durch Bagatellverfahren sehr überlastet.

Kritik am neuen Gesetz

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) lobte den eigenen Gesetzentwurf als “einfaches, unbürokratisches und für Verbraucher regelmäßig kostenfreies Verfahren”. Man erwarte bei den meisten Schlichtungen eine zügige und einvernehmliche Lösung, der Gang zum Gericht dürfte in sehr vielen Fällen künftig entbehrlich werden. Verbraucherschützer begrüßten den Entwurf, von der Wirtschaft kommt indes Kritik. Die Unternehmen fürchten, dass sie die Kosten vollkommen allein tragen müssen. Das könnte dazu führen, dass sich die Wirtschaft eher verweigert. Da das Gesetz vorsieht, dass die Schlichtungsstellen privat und auch staatlich geführt werden können, dürfte der Aufbau der intendierten Einrichtungen in einigen Regionen eher schleppend vorangehen. Lediglich dort, wo ein großes Unternehmen mit häufigen gerichtlichen Auseinandersetzungen konfrontiert wird, könnte dieses Unternehmen die Schlichtungsstelle initiieren, weil diese letzten Endes doch preisgünstiger arbeitet als das Gericht. Auf der anderen Seite befürchten Kritiker, dass es einige Unternehmen darauf ankommen lassen, weiter die Gerichte zu bemühen. Denn den Gang vor den Kadi scheuen viele Verbraucher wegen des Prozesskostenrisikos. Den Gang zum Schlichter treten sie vielleicht künftig viel schneller an. Ob und in welchem Umfang das passiert, ließe sich aus den Daten zu den bislang bestehenden Schlichtungsstellen möglicherweise prognostizieren. Diese bleiben künftig bestehen, sie passen ihre Arbeit lediglich an die Modifikationen des neuen Gesetzes an. Es bleibt aber dabei: Die Unternehmen müssen bei der Einrichtung der Schlichtungsstellen nicht mitmachen. Auch können sie sich weigern, einer Schlichtung zuzustimmen. Lediglich zur Information, ob sie dem Verfahren zustimmen, wird das neue Gesetz sie verpflichten. Das müssen sie dann generell kommunizieren, etwa in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf ihren Webseiten.

Stellungnahme des VZBV und des DIHK

Der VZBV (Verbraucherzentrale Bundesverband) begrüßt das geplante Verfahren, obwohl es auch Sanktionen für Verbraucher vorsieht. Sollten diese eine Schlichtungsstelle missbräuchlich kontaktieren, müssten sie eine Strafe von maximal 30, – € zahlen. Dennoch erklärte der VZBV, die Schlichtung sei immer die schnellere, unbürokratischere und kostengünstigere Lösung in den betreffenden Streitfällen zwischen den Unternehmen und ihren Kunden. Die Verbraucherschützer befürchten allerdings, dass die rein freiwillige Teilnahme der Unternehmen bei Weitem nicht ausreichen wird, um die unterentwickelte Schlichtungskultur in Deutschland voranzubringen. Der Bundesverband der Verbraucherschützer fordert daher die pflichtgemäße Teilnahme der Unternehmen. Deren Lobby geht auf Kontra. Als “unverständlichen Vorgang” bezeichnete der Chefjustiziar des DIHK Stephan Wernicke das geplante Gesetz. Die Kosten allein der Wirtschaft aufzubürden werde nicht funktionieren. Wernicke fordert im Namen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, dass der Bund die Finanzierung allein übernehmen solle.

Was ist die grundsätzliche Zielrichtung des Gesetzes?

Gerd Billen gab als Staatssekretär im Verbraucherministerium gegenüber dem “Tagesspiegel” ein Statement zur grundsätzlichen Zielrichtung des Gesetzes ab. Die Arbeit der Schlichter in den Sektoren der Banken, Versicherungen sowie der Verkehrs- und Energieunternehmen habe sich bewährt, so Billen, es gäbe aber weitere Problemfelder. Im Fokus steht vor allem die Telekommunikation, die durch neuartige technische und tarifliche Angebote auch neue Probleme aufwirft. In der Tat ist beispielsweise bekannt, dass 90 % der weichen Schufa-Einträge aus nicht bezahlten Handyrechnungen stammen. Der Vorgang läuft im Grunde immer gleich ab: Telekommunikationsdienstleister werben mit Kampfpreisen um Kunden für ihre Tarifangebote, die zunächst günstig klingen, allerdings schwer durchschaubar sind (zum Beispiel die Flatrates für den Datenverkehr mit einem Smartphone, die vollkommen ungenügend sind) und anschließend zur Dauerverlängerung führen. Die Kunden haben es schwer, rasch wieder zu kündigen, daher bezahlen sie einfach ihre Rechnungen nicht mehr, werden gemahnt und vollstreckt und beklagen außerdem den negativen Schufa-Eintrag, der in Deutschland so etwas wie ein finanzieller GAU ist. Dabei geht es regelmäßig um – aus Sicht der Wirtschaft und der Gerichte – Bagatellbeträge von höchstens einigen Hundert Euro. Das ist ein klarer Fall für einen Schlichter. Als weitere Bereiche nannte Gerd Billen den Datenverkehr über das Internet generell und auch den Pflegebereich. Senioren würden dort häufig schikaniert oder anderweitig schlecht behandelt, sie ziehen allerdings kaum jemals vor Gericht aus Angst, den Pflegeplatz zu verlieren. Die Regierung hat daher die richtigen Ziele angepeilt, nur die Umsetzung muss vielleicht noch präziser ausgearbeitet werden.

Bisherige Schlichtungserfahrungen

Aus dem Bereich der Versicherungswirtschaft liegen einschlägige Schlichtungsverfahren vor. Gerade wenn es um hohe Summen geht, etwa der Auszahlung einer Lebensversicherung nach Unfalltod, mauern die Gesellschaften sehr gern, zweifeln den Vorgang an und zermürben die Bezugsberechtigten, die allein aufgrund des hohen Streitwertes und des damit verbundenen Prozesskostenrisikos den Klageweg scheuen.

Ein gut beschäftigter deutscher Schlichter ist Günter Hirsch, inzwischen über 70 Jahre alt und pensionierter Jurist. Er war acht Jahre lang Präsident des Bundesgerichtshofs, inzwischen ist er der Ombudsmann der deutschen Versicherer. In strittigen Fällen verhandelt er diskret mit dem Vorstand der Versicherungsgesellschaft und erreicht überwiegend seine Ziele: Die Versicherung zahlt, die Kontrahenten schließen einen Vergleich (also einen Kompromiss) oder die Versicherungskunden sehen ein, dass ihre Ansprüche tatsächlich unberechtigt sind. Das Verfahren dauert nur wenige Wochen und lässt sich gerade angesichts der verhandelten Summen kaum günstiger denken. Dieser Weg ist tatsächlich eine sehr gute Alternative zu den sonstigen Gerichtsverhandlungen.

von Thomas Schulz

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