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Wegen Corona: Erleichterter Zugang zu ALG II für Selbständige
Für Selbständige gibt es während der Corona-Krise erleichterten Zugang zum ALG II, sofern sie aufgrund von Umsatzeinbrüchen ihren Lebensbedarf nicht mehr decken können. Wer hat Anspruch darauf – und wie funktionieren die Anträge?
von Gerrit Wustmann
Wegen Corona: Erleichterter Zugang zu ALG II für Selbständige
© Stadtratte / iStock

Millionen Selbständige in Deutschland haben während der Corona-Krise gleich ein doppeltes Problem. Aufgrund einbrechender oder komplett wegfallender Einnahmen können sie weder laufende Betriebskosten noch ihre persönliche Lebenshaltung finanzieren. Zwar haben Bundesregierung und Länder inzwischen Lockerungen der strengen Lockdown-Regelungen beschlossen. Doch die helfen längst nicht allen. Das gleiche gilt für die Soforthilfen für Selbständige in Höhe von bis zu 9000 Euro, die weiterhin bei den Wirtschaftsministerien der Länder beantragt werden können.

ALG II oder Soforthilfe für Lebenshaltungskosten?

Denn diese Hilfen sind lediglich für die Deckung der Betriebsausgaben gedacht – und das auch nur für eine Laufzeit von drei Monaten. Das heißt: Viele Soloselbständige haben von diesen Hilfen nichts. Selbst wer eine Bewilligung erhalten hat, darf die Gelder nicht verwenden, sofern er sie nicht ausschließlich und nachweisbar für Betriebsausgaben einsetzt. Anderenfalls drohen spätestens mit der Steuererklärung im kommenden Jahr Rückforderungen. Die Finanzämter haben Überprüfungen angekündigt.

Zur Deckung der Lebenshaltungskosten werden Selbständige derzeit auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) verwiesen. Das letzte Wort ist dazu allerdings noch nicht gesprochen. Zur Zeit verhandeln Interessenverbände mit Ländern und Bundesregierung über erweiterte Soforthilfen bzw. die Möglichkeit, bestehende Gelder auch für die Lebenshaltung einsetzen zu dürfen.

Selbständige können das ALG II derzeit über ein stark vereinfachtes Formular beantragen. Laut Bundesregierung soll dabei wesentlich weniger Papierkram als üblich anfallen und auch auf eine Vermögensprüfung soll verzichtet werden. Doch das stimmt nur bedingt.

Linktipp
Antragsformulare gibt es hier: www.arbeitsagentur.de.

Wie funktioniert der Antrag auf ALG II für Selbständige?

Antragsberechtigt sind grundsätzlich alle Selbständigen, die aufgrund der Corona-Krise sowie der damit zusammenhängenden Einschränkungen (Ladenschließungen, Veranstaltungsverbote etc.) so starke Umsatzeinbußen haben, dass sie nach dem Sozialgesetzbuch III (SGB III) Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben. Das heißt: Auch wenn man noch Einkommen hat, dieses aber niedrig ist, sollte man prüfen, ob man aufstockende Leistungen erhalten kann. Im Zweifel erhält man telefonische Beratung bei seiner örtlich zuständigen Arbeitsagentur.

Tatsächlich sind die Formulare stark vereinfacht. Das eigentliche Antragsformular hat nur noch fünf Seiten. Neben persönlichen Daten und der Wohnsituation (also auch, mit wem man zusammen wohnt) muss man Kosten für Miete und Heizung angeben sowie Angaben für eventuelle Mehrbedarfe (zum Beispiel bei Schwangerschaft machen). Zudem muss man versichern, dass man kein Vermögen hat, das über 60.000 Euro liegt – eingerechnet wird hier nicht nur direkt verfügbares Geld, sondern auch Aktien oder die private Altersvorsorge. In einer Bedarfsgemeinschaft darf die zweite Person kein Vermögen über 30.000 Euro haben. Ist dies doch der Fall, muss man ein zusätzliches Formular ausfüllen und sein Vermögen genauer erläutern – das heißt: Man muss vor dem Amt dann doch detailliert sämtliche Vermögensverhältnisse ausbreiten.

Außerdem muss man angeben, ob man noch Einkommen hat und in welcher Höhe dieses liegt. Man muss hier sowohl das tatsächliche Einkommen der letzten Monate als auch das geschätzte Einkommen der kommenden Monate angeben. Aktuell soll es allerdings keine Nachprüfungen geben, ob diese Schätzung korrekt war. Verdient man allerdings weniger als erwartet, sollte man dies der Arbeitsagentur melden – denn in dem Fall hat man Anspruch auf zusätzliche Leistungen.

Wie viel Geld bekommt man?

Bei Einkommen gilt: es gibt einen Freibetrag von 100 Euro sowie 20 Prozent aller weiteren Einnahmen. Was bedeutet das? Nehmen wir an, der Antragsteller hat noch laufendes Einkommen von 600 Euro. Davon werden 100 Euro Freibetrag abgezogen sowie 20 Prozent von 500 Euro, als noch einmal 100 Euro. Bleiben 400 Euro Einkommen, die auf das ALG II angerechnet werden. Der Anspruch mindert sich also um 400 Euro.

Und in welcher Höhe besteht ein Anspruch? Neben dem Regelsatz von 432 Euro monatlich sollen Miete und Heizkosten in voller Höhe übernommen werden – und zwar vorübergehend ohne weitere Prüfung. Normalerweise ist klar festgelegt, wie groß eine Wohnung und wie hoch die Miete maximal sein darf. Das entfällt in diesem Fall. Wenn also die Wohnung warm 800 Euro und die Heizung 50 Euro im Monat kostet, werden die 850 Euro in voller Höhe übernommen. Es muss also erstmal kein Selbständiger befürchten, seine Wohnung zu verlieren.

KünstlerInnen treibt hingegen eine weitere Angst um: Üblicherweise besteht im ALG II-Bezug kein Anspruch auf Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse. Auch das wurde vorübergehend in der Corona-Krise geändert, um Härtefälle zu vermeiden. Wer ALG II beantragt, sollte dies der KSK unverzüglich mitteilen. Die Mitgliedschaft besteht dann weiter, die Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung werden von der Arbeitsagentur übernommen, die Beiträge zur Rentenversicherung muss man aus der Grundsicherungsleistung selbst begleichen. Falls dies vorübergehend nicht möglich sein sollte kann man bei der KSK auch einen Zahlungsaufschub beantragen, der in der Regel problemlos gewährt wird.

Kritik an Vermögensprüfung könnte zu Änderungen führen

Aber wie sieht es aus, wenn man bereits Soforthilfemittel erhalten hat? Zählen diese als Einkommen? Das wäre schon der Logik nach widersinnig, da diese ja zweckgebunden sind und eben nicht für den Lebensbedarf verwendet werden dürfen, weshalb es überhaupt erst die Möglichkeit gibt, zusätzlich (!) ALG II zu beantragen. Das geht auch klar aus einer Weisung an die Arbeitsagenturen hervor: Soforthilfemittel dürfen nicht (!) auf die Grundsicherung angerechnet werden. Fälle aus der Praxis der letzten Wochen haben aber mehrfach gezeigt, dass einige Arbeitsagenturen sich mit den neuen Regelungen noch schwertun. Beispielsweise rechnen sie Soforthilfen oder Vermögen unterhalb der neuen Freigrenzen an. In diesem Fall gilt es, umgehend schriftlich Einspruch einzulegen und auf die aktuell gültigen Regelungen zu verweisen.

Ob die vereinfachte Vermögensprüfung Bestand hat ist ebenfalls noch offen. Kritiker verweisen darauf, dass 60.000 Euro schon mit privaten Vorsorgemitteln rasch erreicht sind und man nicht von Selbständigen verlangen könne, nun erst ihre Alterssicherung aufzubrauchen, bevor sie Hilfe erhalten. Auch die Durchleuchtung von Lebenspartnern im Zuge der Bedarfsgemeinschaft wird kritisiert. Es ist also möglich, dass es noch Änderungen geben wird.

von Gerrit Wustmann

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