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Störerhaftung: Reform erschwert Abmahnungen
Was kann man gegen Abmahnungen tun? Und was bringt die Abschaffung der Störerhaftung? BBX im Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies, der sich auf die Verteidigung von Abgemahnten spezialisiert hat.
von Gerrit Wustmann
Störerhaftung: Reform erschwert Abmahnungen. Störerhaftung: Reform erschwert Abmahnungen
© dzejmsdin / 123RF

BBX: Herr Dr. Knies, die Störerhaftung wurde reformiert, das neue Gesetz tritt bald in Kraft. Werden trotzdem noch Abmahnungen verschickt? Und schafft die Reform überhaupt mehr Rechtssicherheit?

Knies: Ja, zur Zeit werden sogar sehr viele Abmahnungen verschickt, und ich gehe davon aus, dass das weitergeht. Mann muss jetzt abwarten. Nach meiner Einschätzung könnte es in Zukunft für Abgemahnte und deren Anwälte einfacher werden, gegen Abmahnungen vorzugehen. Aber ich zweifele daran, dass der Gesetzgeber sein Ziel, die Störerhaftung abzuschaffen, erreicht hat. Bisher war es ja so, dass man auch in Haftung genommen werden konnte, wenn man seinen eigenen Anschluss Dritten zur Verfügung stellte – zum Beispiel Freunden oder Familienangehörigen. Stattdessen soll es nun nur noch die Täterhaftung geben, es soll also derjenige belangt werden, der tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. In Zukunft soll es theoretisch möglich sein, dass man sein W-LAN für alle freigibt. Aber es stellt sich die Frage, welchen Anforderungen man dann genügen muss.

Routerdaten dokumentieren

BBX: Was muss man beachten, wenn man ein offenes W-LAN betreibt?

Knies: Zum einen sollte man dokumentieren, dass man sein W-LAN freigibt, zum Beispiel durch einen Screenshot. Der zweite Schritt wäre es, die Routerprotokolle zu sichern. Auf ihnen ist ersichtlich, wer sich wann mit welchem Gerät und welcher Mac-Adresse in meinem Netz angemeldet hat. Dazu ein Praxistipp: In den meisten Fritzboxen kann man einstellen, dass man die Protokolle regelmäßig per Mail erhält. So verhindert man, dass Daten verloren gehen, denn es wird immer nur für einen bestimmten Zeitraum protokolliert und dann überschrieben. Bisher geht der BGH im Zusammenhang mit Filesharing davon aus, dass der Anschlussinhaber seinen Anschluss in der Regel selbst nutzt. Diese Grundannahme wird bei offen zugänglichen Anschlüssen hinfällig. Die Dokumentierung hilft dabei zu belegen, dass man selbst für eventuelle Urheberrechtsverletzungen nicht verantwortlich ist.

BBX: Ist die Abmahnung ein sinnvolles Rechtsmittel oder ein einträgliches Geschäftsmodell für Juristen?

Knies: Es gibt Abmahnungen, die nur Abzocke sind, hinter anderen steht ein berechtigtes Interesse eines Rechteinhabers. Einerseits gibt es immer wieder Skandale und Abmahnkanzleien mit schlechtem Ruf. Man denke nur an die Massenabmahnungen im Zusammenhang mit Redtube. Dann gibt es Kanzleien, wie auch Waldorf-Frommer, mit seriösen Mandanten. Auch das ist einträglich – aber wenn eine Produktionsfirma, ein Plattenlabel oder ein Filmverleih ein urheberrechtlich geschütztes Werk produziert und darin Zeit und Geld investiert hat, dann ist es nachvollziehbar und legitim, wenn man Verluste durch Filesharing verhindern will. Abmahnungen sind nahezu das einzige funktionierende Mittel dazu.

BBX: Müsste die Politik dann nicht erst recht aktiv werden, um unseriöse Geschäftsmodelle zu unterbinden?

Knies: Ja. Mein Vorschlag war immer, die Durchsetzung der Ansprüche aus Abmahnungen den Verwertungsgesellschaften wie der Gema oder der VG Wort zu übertragen. In anderen Bereichen wie der öffentlichen Vorführung von Musik funktioniert das ja auch. Durch die Übertragung an eine zentrale Stelle könnte man den Missbrauch ausbremsen und das Geschäftsmodell bestimmter Kanzleien erschweren, zumal es einen einheitlichen „Tarif“ gäbe. Heute verlangt eine Kanzlei 500 Euro, die andere 2000, die nächste 3000. Jeder kann machen, was er will.

Waldorf-Frommer: Abmahnkosten kaum gesenkt

BBX: Gab es nicht mal den Versuch des Gesetzgebers, Abmahnkosten zu deckeln?

Knies: Ja, aber das hat nicht viel gebracht. Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, das Sie meinen, hat die Anwaltskosten, die bei Abmahnungen berechnet werden dürfen, auf ca. 150 Euro begrenzt. Vorher wurden da hohe drei- oder sogar vierstellige Beträge veranschlagt. Aber es gibt ja die zweite Stellschraube der Schadensersatzsumme. Die Kanzleien reagierten, indem sie hier die Forderungen erhöhten. Eine Abmahnung von Waldorf-Frommer beispielsweise kostete vorher 915 Euro, danach eine Weile 815 Euro, inzwischen ist es wieder wie früher. Das geht auch recht einfach, da die Schadenssumme sich nicht am Ladenpreis des Werkes orientiert, sondern anhand der möglichen Verbreitung durch Torrent-Dienste geschätzt wird. So kam es, das der BGH im letzten Jahr in einem Urteil den Schadenersatz für den Download eines Musikalbums auf 2500 Euro festlegte.

BBX: Wieviele dieser Abmahnungen sind berechtigt? Sie schätzen, dass allein Waldorf-Frommer jährlich rund 150.000 Abmahnungen verschickt. Eine enorme Zahl…

Knies: Das ist nicht einfach zu beantworten. Bei den tausenden Fällen, die ich selbst vertreten habe, war es oft so, dass zum Beispiel die Kinder oder Gäste und Verwandte den jeweiligen Anschluss mitgenutzt hatten.

Sinnvoll, einer Abmahnung zu widersprechen

BBX: Was können Betroffene tun, wenn sie eine Abmahnung erhalten? Wie sollen sie reagieren?

Knies: Meist macht es Sinn, zu widersprechen. Schon jetzt kann man gute Erfolge gegen Abmahnungen erzielen, und die Reform, die im Herbst in Kraft tritt, wird die Lage der Abgemahnten wahrscheinlich nochmal verbessern. Es kommt auch wesentlich darauf an, ob die abmahnende Kanzlei tatsächlich in großem Umfang Klagen einreicht. Waldorf-Frommer hat das oft getan, andere wiederum gar nicht oder selten. Es kann nun sein, dass das neue Gesetz greift, es ist aber auch möglich, dass die Kanzleien gegensteuern oder Schlupflöcher finden. Eventuell kommen dann Nachbesserungen im Gesetz. Momentan birgt ein offenes W-LAN ein hohes Risiko, abgemahnt zu werden. Das ist nicht mehr zeitgemäß und im Grunde nur in Deutschland so.

von Gerrit Wustmann

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