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Schwarzbuch Markenfirmen: „Druck ausüben ist wichtig“
Erstmals im Jahr 2001 deckten Klaus Werner-Lobo und Hans Weiss im „Schwarzbuch Markenfirmen“ auf, wie Großkonzerne, deren Produkte sich in jedem Haushalt finden, ihre Gewinne mit Ausbeutung und Korruption erwirtschaften. 2014 ist eine komplett neue Fassung des Schwarzbuches erschienen.
von Gerrit Wustmann
Schwarzbuch Markenfirmen: „Druck ausüben ist wichtig“. Großkonzerne wie Apple oder H & M haben großen Einfluss auf den Weltmarkt.
© Artur Marciniec/thinkstock

Doch was es zutage bringt, ist erschreckend: Seit dem Erscheinen des ersten Schwarzbuchs hat sich nichts geändert. Zumindest nicht zum Besseren. BBX sprach mit Klaus Werner-Lobo über die Maschen der Multis und die Frage, wie der Einzelne Bürger sich wehren kann.

Schwarzbuch Markenfirmen 2014
Schwarzbuch Markenfirmen: Die Welt im Griff der Konzerne

BBX: Die Verbraucher sind verunsichert: Immer wieder kommen Skandale aus der Konsumwelt ans Licht. Was kann man überhaupt noch bedenkenlos kaufen?

Werner-Lobo: Bedenkenlos kaufen kann gar nicht das Ziel sein. Es geht darum, immer gut nachzudenken und auch das eigene Kaufverhalten zu hinterfragen, sich zu informieren. Man sollte grundsätzlich nur das kaufen, was man auch wirklich braucht. Bei einigen Produktgruppen, wie zum Beispiel Lebensmitteln, hat man gute Möglichkeiten, etwa indem man regionale, ökologisch produzierte Ware kauft. Bei anderen, beispielsweise Elektronik, geht das nicht.

BBX: Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren ein grünes Image verpasst. Hat da wirklich ein Umdenken stattgefunden, oder ist das alles bloß Marketing?

Werner-Lobo: Bei großen multinationalen Konzernen ist das wirklich nur Marketing – das Umdenken findet auch nur dort statt. Man merkt, dass es kritische Konsumentengruppen gibt und spricht deren Gewissen an, indem man Corporate Social Responsibility Programme und Ähnliches einführt, während die Ausbeutung weiter voranschreitet. Die vergleichsweise kleinen Beträge, die an dieser Stelle investiert werden, gehören zum Marketingbudget. Die Großunternehmen leben davon, dass sie hohe Renditen für die Shareholder generieren und das funktioniert in diesem Ausmaß nur, indem sie Umwelt und Menschen ausbeuten.

Siegel als Marketing-Instrumente

BBX: Siegel und wissenschaftliche Untersuchungen sollen Qualität garantieren und das Gewissen der Konsumenten beruhigen – aber ist all das überhaupt ernstzunehmen?

Werner-Lobo: Da muss man unterscheiden: Die Bio- und Ökosiegel sind durchaus ernstzunehmen, auch FairTrade ist nicht konzerngesteuert, sondern folgt einem Kriterienkatalog, der unter anderem von NGO-Initiativen ernsthaft kontrolliert wird. Auch wenn die Kriterien manchmal nicht ausreichend sind, sie sind unabhängig. Viele andere Gütesiegel hingegen sind Marketing-Geschichten, die Institute, die sie vergeben, wurden meist von den Unternehmen, die sie erhalten, selbst begründet. Das „Schwarzbuch Markenfirmen“ hilft, hier einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

BBX: Können Sie uns ein Beispiel geben für eine sehr krasse Diskrepanz zwischen Image und Realität?

Werner-Lobo: Alle der fünfzig Unternehmen, die wir im Schwarzbuch portraitiert haben, sind solch krasse Beispiele, bei denen das Image vom Handeln konterkariert wird. Egal ob Apple oder H&M, alle tun so, als würden sie besonders nachhaltig arbeiten, aber in Wahrheit zahlen sie in den Zulieferbetrieben in China und Bangladesch so wenig, dass sie gar nicht richtig wirtschaften können – Ergebnis sind dann furchtbare Ereignisse wie die in Bangladesch eingestürzte Textilfabrik, in der 1100 Menschen starben.

Die Einführung des Freihandelsabkommens TTIP wäre faktisch eine Abschaffung demokratischer Mechanismen.

BBX: Die Unternehmen argumentieren in solchen Fällen, sie hätten gar nicht die Möglichkeit, die Subunternehmer in Drittländern richtig zu kontrollieren und weisen damit die Verantwortung von sich. Was ist von solchen Aussagen zu halten?

Werner-Lobo: Davon ist gar nichts zu halten, es sind Lügen. Es bringt nichts, Selbstverpflichtungen einzugehen und Mindeststandards vorzugeben, dann aber so wenig Geld zu zahlen, dass diese vor Ort unmöglich eingehalten werden können. Dafür brauchen wir staatliche, gesetzliche Regelungen, die dafür sorgen, dass die Unternehmen sich auch im Ausland an jene Standards halten müssen, an die sie im Inland, zum Beispiel in Deutschland, gebunden sind.

BBX: Was kann der Verbraucher denn machen, wenn er solche Machenschaften nicht unterstützen oder gar bekämpfen will?

Werner-Lobo: Wir sind nicht nur Verbraucher, sondern vor allem auch Menschen und Bürger und wir leben in Demokratien, in denen wir ein Mitbestimmungsrecht haben. Dieses gilt es zu nutzen. Deutschland verhandelt gerade mit über die Einführung des Freihandelsabkommens TTIP, das unter anderem Konzernen das Recht einräumen soll, Staaten zu verklagen, wenn sie höhere Umwelt- und Sozialstandards einführen. Das wäre eine faktische Abschaffung demokratischer Mechanismen, weil die Wirtschaft quasi ein Vetorecht gegen demokratisch gefällte Entscheidungen bekäme. Hier Druck auszuüben ist wesentlich wichtiger als die Frage, was wir im Supermarkt einkaufen.

Der Einfluss einzelner Unternehmen

BBX: Wieviel Einfluss haben die von Ihnen untersuchten Unternehmen auf die Politik?

Werner-Lobo: Sehr großen und zwar auf allen Ebenen. Stellenweise sind sie in politischen Ämtern mit vertreten oder sie üben über Medien und Lobbyverbände Druck auf Politiker aus. Das geht bis hin zu Bestechung und Korruption, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Und das führt immer öfter dazu, dass die Politik nicht mehr im Sinne des Souveräns entscheidet, sondern im Sinne derer, die Geld geben oder Druck ausüben.

BBX: Das „Schwarzbuch Markenfirmen“ erschien erstmals 2001. Gibt es auch Beispiele für Unternehmen, bei denen seither ein Umdenken stattgefunden hat?

Werner-Lobo: Ja, aber nicht im positiven Sinne. Viele Unternehmen haben nach der Kritik ihr Marketing professionalisiert. Das ist ein Rückschritt. Denn sie ändern nicht ihr Handeln, sondern nur das Image. Selbst von der Finanzkrise 2008 haben die Shareholder der Konzerne noch profitiert und steigerten ihre Gewinne, während gleichzeitig die Armut wuchs. Was mich selbst überrascht hat bei der Arbeit am neuen Schwarzbuch ist, dass die Ausbeutung, die wir vor 13 Jahren vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika vorfanden, inzwischen immer näher rückt. Die Globalisierung, die wir in die Welt getragen haben, kommt zu uns zurück, etwa in Form prekärer Arbeitsverhältnisse, die immer weiter zunehmen.

von Gerrit Wustmann

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