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Millionways: „Wir wollen die Gesellschaft verändern“
Mit der millionways-Stiftung möchte Martin Cordsmeier versteckte Potentiale freilegen. Er vernetzt Menschen und stößt Projekte an, und jeder kann mitmachen. Was steckt dahinter? BBX hat mit ihm gesprochen.
von Gerrit Wustmann
Millionways: „Wir wollen die Gesellschaft verändern“. Wir wollen die Gesellschaft verändern
© tomwang / 123RF

Cordsmeier, Jahrgang 1984 und Gründer der millionways Stiftung, versammelte eine „Vision Crowd“, zu der unter anderen Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, Manuel Hartung von Der Zeit, der Medienunternehmer Frank Otto und der Psychologe Michael Thiel gehören. Die gemeinnützige Stiftung vernetzt Menschen miteinander und gibt ihnen Anstöße bei der Frage „Was will ich wirklich im Leben?“ – und hilft, die Pläne umzusetzen.

Jeder hat Talente, die er nicht nutzt, jeder hat das Potential, mehr aus seinem Leben zu machen – ist das realistisch oder bloß sehr optimistisch?

Cordsmeier: Ich glaube auf jeden Fall, dass jeder verstecktes Potential hat. Was das ist kommt immer auf den Einzelfall an. Es muss ja nicht jeder etwas riesengroßes auf die Beine stellen. Viele Menschen haben ganz kleine Ansprüche, und oft braucht es gar nicht viel, damit man die eigenen Leidenschaften auch leben kann.

„Dass es heute noch Bewerbungstrainings gibt, in denen man lernt, sich zu verstellen – das sagt doch alles.“

Warum glaubst du, dass viele Menschen unzufrieden sind?

Cordsmeier: Ich habe, rein aus persönlichem Interesse, schon vor Jahren mit vielen Menschen gesprochen, über ihre Lebenssituation, ihre Motivation, ihre Wünsche. Und dabei sah ich, dass es viele gibt, die nicht sie selbst sein können, nicht machen können, was sie wirklich lieben. Etwas beschäftigt sie, aber sie können es nicht umsetzen. Manche wissen nicht, wie. Andere können aufgrund ihrer beruflichen oder privaten Lage nicht an dem arbeiten, was sie bewegt. Und genau das erleben wir heute auch bei millionways. Viele rufen uns an und erzählen, dass ihnen emotional etwas fehlt, dass sie unzufrieden sind. Das klingt vielleicht nach einem Luxusproblem, aber das ist es nicht.

Woran liegt das? Werden schon in der Schule die falschen Weichen gestellt?

Cordsmeier: In der Schule fängt es meist an, ja. Es gibt ja diesen Spruch, dass Kinder frei sind, dann kommen sie in die Schule und werden eingeschränkt. Und das stimmt. Schon in der ersten Klasse werden sie gezwungen, das, was sie lieben, hinten anzustellen, und sich auf das zu konzentrieren, was man angeblich braucht im Leben. Im Studium geht das so weiter. Oder in der Berufsausbildung. Und dann in der Arbeitswelt. Da wird es dann ganz schlimm. Dass es heute noch Bewerbungstrainings gibt, in denen man lernt, sich zu verstellen – das sagt doch alles.

Alles ist sehr starr, aber das muss heute gar nicht mehr sein, das lässt sich auch anders organisieren. Natürlich können wir nicht das Schulsystem auf den Kopf stellen, erst recht nicht von heute auf morgen. Deshalb haben wir ein Bildungsprogramm für Schüler bei millionways. Damit können wir die Schule ergänzen, neue Impulse, alternative Perspektiven aufzeigen.

Flexible und offene Ausbildung, neue Strukturen

Gibt es Jobs oder Arbeitswelten, die wir eigentlich gar nicht brauchen?

Cordsmeier: Aus meiner Sicht schon. Das 9to5-Modell beispielsweise ist ein Unsinn. Entweder gibt es Arbeit oder es gibt keine. Aber wann man sie macht und wo man dafür sitzt ist doch völlig egal. Nach Präsenzzeit zu arbeiten – ich habe noch nie verstanden, was das soll. Starre Berufsbilder sind ebenfalls schwierig, auch wenn ich verstehen kann, dass Unternehmen sie brauchen. Eines unserer Ziele ist es, eine Akademie zu gründen, die andere Ausbildungsansätze verfolgt, die flexibler und offener sind. Wir wollen neue Strukturen entwickeln.

Was macht aus Deiner Sicht Zufriedenheit aus?

Cordsmeier: Wenn man so sein kann, wie man ist. Dann ist man zufrieden. Ich denke, es ist wirklich so einfach. Im Beruf können das nur wenige, und viele haben nichtmal privat einen Menschen, wo das geht. Jemand, der sie wirklich versteht. Und da geht das Problem schon los. Sich nicht immer anpassen zu müssen, ist ganz wichtig.

Wie kamst Du auf die Idee, anderen einen Anstoß zu Veränderung zu geben?

Cordsmeier: Das entstand privat. Es kam so oft vor, dass ich in anderen etwas sah, das sie selbst nicht sahen. Manche hielten mich für anmaßend, wenn ich ihnen das auch sagte: Dass sie nicht so leben, wie sie leben wollen. Diese Erkenntnis empfinden viele als ein Scheitern. Die Idee, die Stiftung zu gründen, wuchs über Jahre heran, war erst ziemlich diffus, aber dann entwickelte sich eine Struktur. Anstatt auf die Menschen zuzugehen wollte ich, dass sie uns anrufen, dass sie selbst aktiv werden und uns fragen: Was seht ihr in mir? Die letzten Jahre seit der Gründung von millionways in 2013 waren eine Testphase, in der wir tausende Interviews geführt und Ideen gesammelt haben. Und nun geht es richtig los.

Wie funktioniert millionways?

Cordsmeier: Wir formulieren derzeit ein millionways-Prinzip. Jeder weiß ungefähr, was ihm fehlt, was er benötigt, was er will. Wir helfen dabei, das zu konkretisieren. Man könnte sagen: Wir vernetzen dich mit Möglichkeiten, um mehr aus dir zu machen.

Menschen vernetzen, die zueinander passen

Und gibt es bereits erfolgreiche Projekte? Menschen, die ihr Leben verändern konnten?

Cordsmeier: Ja. Aus Tausenden Interviews haben wir rund dreihundert Teams gebildet – also Menschen miteinander vernetzt, die zueinander passen. Vierzig dieser Teams haben bereits gemeinsam etwas entwickelt, zehn haben wirtschaftlich erfolgreiche Projekte auf die Beine gestellt. Das ist schon eine ganz gute Quote, finde ich. Da sind Sachen dabei wie die Entwicklung einer App, die Renovierung eines Gefängnisses als Arbeitsplatz für Künstler oder auch ein Modelabel für Obdachlose.

millionways klingt eher nach einem amerikanischen als nach einem deutschen Projekt. Deutschland ist oft eher zurückhaltend bis ablehnend neuen Ideen und Denkansätzen gegenüber. Hast Du keine Angst, daran zu scheitern?

Cordsmeier: Ja, das stimmt schon. In anderen Ländern gibt es eine viel größere Offenheit. In den USA wären wir schon viel weiter. Die Deutschen sind eher von Angst und Skepsis getrieben. Aber Deutschland ist auch sehr genau und gründlich. So hatten wir viel Zeit, millionways zu entwickeln und Dinge auszuprobieren. Alles ist sehr sorgfältig und lange gereift. In kaum einem Land ist so ein Projekt schwieriger als hier – aber wenn es hier funktioniert, dann funktioniert es überall.

Wenn der Grundgedanke sich durchsetzt, könnte er die Arbeitswelt nachhaltig umkrempeln. Weg vom Geld, hin zu Inhalten, raus aus Abhängigkeiten, hin zu mehr Selbstbestimmung…

Cordsmeier: Das ist das Ziel. Wir wollen die Gesellschaft verändern. Es wird viel geredet, auf Konferenzen, in den Medien, darüber, dass neue Denkansätze und Strukturen notwendig sind. Aber es ist eben nur Theorie. Niemand macht etwas. Wir packen es an. Ich sehe das als Chance. So etwas wie millionways gab es bisher nicht. Wir probieren etwas aus, und jeder, der möchte, kann es mitgestalten.

von Gerrit Wustmann

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