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Hartz IV: Welche Urteile sollte man kennen?
Zwölf Jahre nach Einführung des Arbeitslosengeldes II (ALG II), auch als Hartz IV bekannt, ebbt die Kritik nicht ab. Schon lange steht der Vorwurf im Raum, die Sanktionspraxis sei verfassungswidrig. Und immer wieder urteilen die Sozialgerichte im Sinne der ALG-II-Empfänger und gegen die Jobcenter. Es kann für Betroffene hilfreich sein, diese Urteile zu kennen und im Fall der Fälle auf sie zu verweisen, um dem Amt den Wind aus den Segeln zu nehmen. BBX hat einige interessante Urteile zusammengestellt.
von Gerrit Wustmann
Hartz IV: Welche Urteile sollte man kennen?. Reform der Leiharbeit: Was soll sich ändern?
© kzenon / 123RF

Keine Sanktionen bei zu wenig Bewerbungen

In einer Eingliederungsvereinbarung wurde festgelegt, dass ein Arbeitssuchender Empfänger von Hartz IV zehn Bewerbungen pro Monat schreiben solle. Er verlangte hierfür eine Übernahme der entstehenden Kosten durch das Jobcenter. Als ihm das nicht bewilligt wurde, hielt er sich nicht an die vereinbarte Bewerbungsmenge – und das Jobcenter strich ihm die Leistungen für drei Monate. Dagegen klagte er – und das Bundessozialgericht (BSG) gab ihm im Juni 2016 Recht: es erklärte die Eingliederungsvereinbarung für nichtig.

Trinkgeld darf man behalten

Wer ALG II bezieht, muss seine kompletten Vermögens- und Einkommensverhältnisse offenlegen. Die Jobcenter schauen sehr genau auf alle Einkünfte, denn solange man im Bezug ist, darf man nur kleine Beträge behalten, alles, was bestimmte Grenzen überschreitet, wird angerechnet. Bei einer Friseurin aus Karlsruhe schätzte das Jobcenter eigenmächtig ein monatliches Trinkgeld von sechzig Euro – und rechnete es auf den ALG-II-Bezug an. Die Frau klagte, und das zuständige Sozialgericht gab ihr Recht: Trinkgeld sei grundsätzlich nicht anzurechnen, urteilte es im März 2016.

Amt muss Waschmaschine zahlen

Ein Obdachloser bezog erstmals eine Wohnung und erhielt als ergänzende Leistung zum ALG II Unterstützung, um diese Wohnung mit gebrauchten Möbeln einzurichten. Als er den Bedsrf einer Waschmaschine anmeldete, verwies ihn das zuständige Jobcenter auf einen Waschsalon. Der Betroffene klagte und erhielt Recht: Ende 2014 urteilte das Sozialgericht Dresden, dass eine Waschmaschine zur Grundausstattung gehöre und die Kosten vom Jobcenter zu tragen seien. Das gilt aber beispielsweise nicht für einen Computer. Im Jahr 2010 klagte eine Frau aus Detmold – das Landessozialgericht NRW wies ihre Forderung aber zurück. Ein PC gehöre nicht zur notwendigen Erstausstattung, das Jobcenter müsse diesen daher nicht finanzieren.

Mietobergrenze oft unzulässig

Bezieher von ALG II kennen das Problem: Es gibt regional unterschiedliche Mietobergrenzen, die schlimmstenfalls dazu führen können, dass man zum Wohnungswechsel gezwungen wird. Es lohnt sich allerdings, genauer hinzuschauen. Denn schon mehrfach haben Sozialgerichte bestimmte Mietobergrenzen oder deren Berechnungsmethode für unzulässig erklärt. Im Zweifelsfall sollte man beim zuständigen Sozialgericht entsprechende Urteile für die eigene Region in Erfahrung bringen. Erhöht sich im Laufe des ALG-II-Bezugs die Miete aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen, so sind auch diese Mehrkosten vom Jobcenter zu übernehmen – urteilte das Bundessozialgericht im Jahr 2012.

Geldgeschenke von Oma gehen das Jobcenter nichts an. Oder?

Wenn Kinder von Hartz-IV-Empfängern zum Geburtstag oder zu Weihnachten Geld von Oma und Opa erhalten, sollte dies kaum als anrechnungsfähiges Einkommen gelten – so dürften die meisten Menschen empfinden. Ein Jobcenter sah das im Jahr 2011 anders und forderte eine Rückzahlung von insgesamt 510 Euro – so viel hatte eine Großmutter für mehrere Anlässe wie Geburtstage zugunsten ihrer drei Enkel an ihre Tochter überwiesen, die sich im ALG-II-Bezug befand. Das Bundessozialgericht hob die Rückforderung auf, allerdings nur teilweise. Geldgeschenke seien nur bis zu einer Höhe von 50 Euro nicht anzurechnen, darüber gelten sie als Einkommen. Auch wenn sie an die Kinder gehen. Möchten Großeltern, die das nachvollziehbarerweise als ungerecht empfinden, ihren Enkeln dennoch etwas mehr zukommen lassen, sollten sie einfach auf den Bankweg verzichten – oder die Kinder fragen, was sie sich konkret wünschen, und es ihnen dann kaufen. Schließlich kann kein Kind etwas für die Arbeitslosigkeit der Eltern.

von Gerrit Wustmann

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