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Digitaler Verbraucherschutz: Lange Nacht der „Smarten Bürger“
Der Verbraucherschutz in unserer digitalen Welt ist das Thema der “Langen Nacht 2015”. Ausrichter ist eine Initiative “Smarte Bürger zum digitalen Verbraucherschutz”, welche die Technologiestiftung Berlin ins Leben gerufen hat.
von Thomas Schulz
Digitaler Verbraucherschutz: Lange Nacht der „Smarten Bürger“. Die lange Nacht der smarten Bürger fragt, wie glaesern wir sein wollen.
© Pixabay

Die Kampagne informiert über alle neuen Entwicklungen auf diesem Gebiet und lädt am 13.06.15 auch zu einem interaktiven Parcours ein, der die Einblicke vertieft. Neben der Technologiestiftung Berlin sind die Open Knowledge-Foundation Deutschland e.V. sowie die Berliner Senatsverwaltung für Verbraucherschutz beteiligt. Die Fragen heißen unter anderem:

  • Wer liest meine Online-Bestellungen mit?
  • Spielt mein Gerät für den Internetzugang beim Preis der Online-Bestellung eine Rolle? Kann eine Smartphone-Bestellung günstiger oder teurer ausfallen als dieselbe Bestellung beim gleichen Händler zum gleichen Zeitpunkt vom Desktop-PC aus?
  • Kann ich verhindern, dass ein Provider mein Bewegungsprofil erstellt?

Inzwischen sind rund 80 % aller Deutschen mehr oder weniger regelmäßig online, durchschnittlich verbringen sie täglich knapp drei Stunden im Internet. Was ihnen dabei genau widerfährt, wissen die wenigsten Nutzer.

Wie gläsern wollen wir sein?

Wer zur „Langen Nacht der Smarten Bürger“ ein Tablet oder Smartphone mitbringt, kann einmal typische Situationen nachspielen und sich von den Initiatoren aufzeigen lassen, was mit seinen digitalen Daten in Wahrheit passiert. Welche Datentransfers laufen in Kauf- und Suchsituationen im Hintergrund ab?

Info

Lange Nacht der „Smarten Bürger“: 13. Juni 2015, TU Berlin (Foyer im „Haus der Ideen, 1. OG), Straße des 17. Juni Nr. 135; 17.00 – 00.00 Uhr.

Der Berliner Senator für Verbraucherschutz Thomas Heilmann, der auch die Justizverwaltung unter sich hat, verweist darauf, dass es kaum noch Grenzen zwischen offline und online gäbe. “Digital ist überall”, so Heilmann, die Aufklärung der Verbraucher sei dringender denn je geboten. Der Vorstandsvorsitzende der Berliner Technologiestiftung Nicolas Zimmer merkt an, dass Berlin das ehrgeizige Vorhaben verfolge, die führende europäische Smart City zu werden. Smarte Bürger mit der Fähigkeit, kompetent ihre Daten preiszugeben oder zu schützen, würden einfach dazugehören. Helene Hahn von der Open Knowledge-Foundation Deutschland e.V. merkt an, dass die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Internets und die daraus folgende Bereicherung den Schutz der eigenen Daten – wenn gewünscht – einschließen müssen. Bedeutsam wird das unter anderem deshalb, weil die EU die „regu­la­torischen Mauern“ auf dem digitalen europäischen Markt niederreißen will. Kritik kommt unter anderem von der deutschen Piratenpartei.

Der einheitliche europäische Digitalmarkt

Die Europa-Abgeordnete der Piratenpartei Julia Reda erklärte im Interview mit dem Online-Magazin EurActiv.de, wo sie Schwachstellen bei der Schaffung eines europäischen digitalen Binnenmarktes sieht. Dieser Binnenmarkt würde wahrscheinlich mehrere 100.000 neue digitale Arbeitsplätze in Europa schaffen und nach einer Evaluation des EU-Parlamentes längerfristig über 500 Milliarden Euro Umsatz in den 28 EU-Mitgliedsstaaten erwirtschaften. Reda ist seit 2014 Vorsitzende einer EU-Kommission, die das gemeinsame Urheberrecht in Europa installieren soll. Dazu müssten einzelne europäische Staaten Nutzungsformen legalisieren, die teilweise in manchen EU-Ländern schon legal sind, so Reda. Das betrifft etwa Abbildungen öffentlicher Gebäude, Zitate aus Videos und Parodien urheberrechtlich geschützter Vorlagen. Nachdem nun EU-Digitalkommissar Günther Oettinger ein Strategiepapier für den digitalen Binnenmarkt vorgelegt hat, beklagt die Abgeordnete Reda die Zaghaftigkeit der Pläne. Das leidige Geoblocking bleibe erhalten, so Reda, auch das Urheberrecht werde nicht wirklich geändert. Das bedeutet: Europäer können in anderen Ländern als dem Heimatland oft keine Bezahlinhalte anschauen, selbst YouTube sperrt bestimmte Inhalte regional und wird in den EU-Plänen gar nicht erwähnt.

Reda fordert eine gemeinsame europäische Digital-Öffentlichkeit, die wiederum mit dem einheitlichen Schutz von Grundrechten einhergehen müsse. Die deutsche Piratenpartei, die einerseits stark auf den Datenschutz im Netz pocht, kritisiert andererseits das Geoblocking als “diskriminierend”. Im Grundsatz sollen digitale Inhalte in Europa einheitlich zugänglich sein, gleichzeitig sollen die digitalen Spuren der NetzbürgerInnen besser geschützt werden. Das entspräche dem Freiheitsbegriff der EU, so Reda: Freiheit in Europa bedeute Bewegungsfreiheit von Menschen, aber auch von Kapital, Waren und Dienstleistungen. Da digitale Inhalte Dienstleistungen seien, müssten sie komplett frei zugänglich sein. So würden Sprachminderheiten wie die Dänen in Norddeutschland (die via TV, aber nicht online den dänischen Rundfunk abrufen können) und ebenso MigrantInnen benachteiligt. Dasselbe betrifft grenzüberschreitende Online-Verkäufe, bei denen regionale Händler benachteiligt werden, wenn sie europaweit verkaufen wollen.

Digitaler Datenschutz in Europa

Dem Wunsch nach mehr digitaler Informations- und Handelsfreiheit steht derjenige nach mehr Datenschutz beziehungsweise der Kontrolle von Cloudspeicherungen gegenüber. Vor allem US-Unternehmen wie Google speichern aktuell die meisten Daten weltweit in ihren Clouds, die sie andererseits den Nutzern vielfach kostenlos anbieten. Die EU will das Geschäft nicht mehr nur den US-Firmen überlassen, verfügt aber noch über kein Konzept für den Umgang mit den Daten.

Die neue ePrivacy-Richtlinie der EU kritisiert die Abgeordnete Julia Reda als verschwommen. Sie fordert einheitliche Richtlinien für jeden Anbieter, der in Europa Cloudspeicherdienste anbietet. Sollte Europa solche Richtlinien durchsetzen beziehungsweise gesetzlich implementieren, könnte das laut Reda europäischen Unternehmen sogar einen Wettbewerbsvorteil einbringen. Auf diesen Wettbewerb sei gerade der verbraucherInnenfreundliche digitale Binnenmarkt angewiesen. Jedoch gäbe es zu viele Interessengruppen, die daran kein Interesse hätten: Die großen Telekommunikationsdienstleister etwa würden sich gegen die Verabschiedung der Netzneutralität wehren, die Wissenschaftsverlage seien gegen ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht, die Rechteinhaber der großen Sportereignisse blockieren die Abschaffung von Geoblocking. Diese Gruppen betreiben im EU-Parlament sehr effektiven Lobbyismus. Damit wird der freie digitale Markt behindert, die Einführung eines europäischen wirksamen Datenschutzes im Netz steht gar nicht erst auf der Agenda.

Wann könnte es den angestrebten digitalen Binnenmarkt geben?

Laut Reda ist der Zeitrahmen bis 2017 kaum einzuhalten, die Mammutaufgabe bestehe im Überzeugen nationaler Parlamente. Währenddessen überholt die technologische Entwicklung immer wieder die langsam mahlenden Gesetzesmühlen der europäischen Politik. Junge europäische BürgerInnen wenden sich daher zunehmend ab und nutzen das Netz, wie sie es vorfinden, wobei sie sich allein um ihren digitalen Datenschutz kümmern – etwa mit speziellen Verschlüsselungsprogrammen aus dem Dark Net. Das könne jedoch nicht der Weg zu einer digitalen Bürgergesellschaft sein, so Reda. Sie fordert im Interview von den Verantwortlichen auf Europa-Ebene mehr Innovationskraft und Mitdenken bei den rasanten digitalen Entwicklungen.

von Thomas Schulz

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