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Arbeitgeber prellen Sozialstaat um 10 Milliarden Euro
Mehr als zwei Millionen Arbeitnehmern wird der gesetzliche Mindestlohn vorenthalten – den Sozialkassen entgehen dadurch fast zehn Milliarden Euro jährlich. Das ergab eine Studie der Hans Böckler Stiftung.
von Gerrit Wustmann
Arbeitgeber prellen Sozialstaat um 10 Milliarden Euro
© filmfoto / iStock

Arbeitslose liegen der Gesellschaft auf der Tasche, heißt es oft. Das stimmt natürlich nicht – es ist reines Bashing der sozial Schwächsten. Tatsächlich nehmen Empfänger von staatlichen Transferleistungen nur in Anspruch, was ihnen gesetzlich zusteht und was sie in vielen Fällen durch eigene Sozialabgaben selbst zuvor bezahlt haben.

8 Prozent der Arbeitnehmer betroffen

Von den Arbeitgebern, die mit illegalen Tricks noch immer den gesetzlichen Mindestlohn umgehen, kann man das nicht behaupten. Sie liegen tatsächlich der Gesellschaft – also uns allen – auf der Tasche. Wie eine Studie des Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans Böckler Stiftung nun ergab, prellen die Arbeitgeber den Sozialstaat um rund 9,9 Milliarden Euro im Jahr. Zusätzlich wird den Arbeitnehmern der Lohn, der ihnen gesetzlich zusteht, vorenthalten.

In der Regel geschieht das, indem gegen die Arbeitsverträge und damit gegen das Arbeitsrecht verstoßen wird. Während in den Verträgen eine bestimmte Stundenzahl zum gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro pro Stunde festgelegt wird, wird der tatsächliche Stundenlohn durch Anpassungen der Arbeitszeiten gedrückt. Unbezahlte Überstunden sind hierzu ein beliebtes Mittel.

Mindestlohn wird systematisch umgangen

Das WSI wertete hierfür Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) aus und rechnete sie auf alle Arbeitnehmer hoch. Einbezogen wurden dafür der gesetzliche und Branchenmindestlöhne, die ebenfalls im großen Stil umgangen werden. Rund 2,2 Millionen Arbeitnehmer sollen davon betroffen sein. Offenbar gibt es enorme Probleme bei der Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohngesetzes, was durch zahlreiche Arbeitgeber ausgenutzt wird. Nur wenige Arbeitnehmer wehren sich. Viele fürchten den Jobverlust oder kennen ihre Rechte gar nicht. Frauen sollen demnach doppelt so häufig betroffen sein wie Männer. Und in Ostdeutschland soll es mehr derartige Fälle geben als im Westen.

„Durch die weit verbreiteten Mindestlohn-Umgehungen werden nicht nur die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschädigt, sondern auch die Allgemeinheit. Endlich die Kontrollen zu verbessern, ist also von höchstem öffentlichen Interesse“, sagt WSI-Arbeitsmarktforscher Dr. Toralf Pusch zu seiner Untersuchung. Ein weiteres Ergebnis: Gewerkschaften stärken die Arbeitnehmerrechte deutlich. Denn in Unternehmen mit gewerkschaftlicher Organisation beklagten nur 1,8 Prozent der Beschäftigten, keinen Mindestlohn zu erhalten – in anderen Betrieben waren es mehr als 15 Prozent. Im Bundesdurchschnitt erhalten acht Prozent der Arbeitnehmer nicht den ihnen tariflich oder gesetzlich zustehenden Lohn. Im Schnitt fehlen ihnen 251 Euro in der Lohntüte.

von Gerrit Wustmann

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